Schinkennetze, Licht & Lust: Zehn Jahre International Work Group

Zehn Jahre Arbeitskreis, Mitglieder aus neun Ländern, unzählige Impulse: Die International Work Group des ICV blickt auf ein Jahrzehnt erfolgreicher Zusammenarbeit zurück. Seit ihrer Gründung 2015 unterstützt das Team Unternehmen aus ganz Europa dabei, neue Perspektiven zu entwickeln, Strategien zu überdenken und modernes Controlling in die Praxis umzusetzen. Wir haben uns mit Leitungsteam- und Gründungsmitglied Herwig Friedag (Bildmitte, leicht geduckt) unterhalten. Lesen Sie hier von Anfängen, Erfolgen und Zukunftsplänen der International Work Group.
Zehn Jahre sind lang – besonders in einem internationalen Team
Frage: Zehn Jahre – das ist eine beachtliche Zeit. Was macht Ihren Arbeitskreis so besonders, dass er so lang interessant ist und bleibt für Mitglieder und Unternehmen?
Antwort: Zehn Jahre sind tatsächlich eine lange Zeit – vor allem für einen Arbeitskreis, der Mitglieder aus neun europäischen Ländern vereint. In dieser Zeit haben wir eine beeindruckende Stabilität und Kontinuität erreicht. Das ist in einem so internationalen Umfeld alles andere als selbstverständlich. Wir sind zusammen gewachsen und zusammengewachsen, es sind echte Freundschaften entstanden, weil wir sehr eng und manchmal auch hart miteinander arbeiten, unsere Erfolge aber auch gebührend feiern. Das ist eine gute Mischung, die uns auch zusammenschweißt.
„Am Anfang mussten wir Überzeugungsarbeit leisten“
Frage: Wie ist der Arbeitskreis überhaupt entstanden?
Antwort: 2015 wurde unser Arbeitskreis mit der Idee gegründet, Unternehmen aus verschiedenen europäischen Staaten Anregungen und Ideen für mehr Erfolg auf den europäischen Märkten zu geben. Bevor wir starten konnten, mussten wir allerdings den ICV-Vorstand überzeugen – und das war nicht einfach. Es gab anfänglich Befürchtungen, wir könnten Beratungsleistungen verkaufen. Dank der Unterstützung des damaligen Vorstandsmitglieds Dr. Walter Schmidt konnten wir diese Bedenken ausräumen und erhielten schließlich grünes Licht.
Gleich das erste Projekt war ein großer Erfolg
Frage: Wie sah Ihre erste praktische Arbeit aus?
Antwort: Unsere Mitglieder – allesamt Controllerinnen und Controller mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung aus zunächst sechs Ländern – arbeiteten als erstes Projekt für sechs Monate mit einem Unternehmen aus Niederschlesien zusammen. Das Ergebnis war überzeugend: Wir konnten dem Unternehmen zeigen, dass der deutsche Markt kaum Chancen bot, der ukrainische Markt jedoch sehr wohl. Kurz darauf wurde das Unternehmen Marktführer für „Schinkennetze“ in der Ukraine.
Aus Leuchten wurde Licht – aus Ideen wurden Strategien
Frage: Konnte das Folgeprojekt noch mithalten?
Antwort: Das nächste Zielunternehmen kam aus Zielona Góra in Polen. Wir empfahlen, nicht einfach „Leuchten“, sondern auch „Licht“ zu verkaufen – eine kleine, aber entscheidende strategische Veränderung, die sich als sehr erfolgreich erwies. Insgesamt haben wir in den letzten zehn Jahren acht Unternehmen aus ganz Europa begleitet, Chancen aufgezeigt, Strategien mitentwickelt, Controlling-Konzepte erarbeitet und viele weitere Impulse für bessere Ergebnisse gegeben.
„Arbeiten, feiern, Freundschaften pflegen – das gehört bei uns zusammen“
Frage: Sie haben Ihr zehnjähriges Jubiläum gebührend gefeiert?
Antwort: Natürlich! Im Rahmen unseres jährlichen Treffens, das jedes Jahr in einer anderen europäischen Metropole stattfindet, kamen wir diesmal in Castelldefels bei Barcelona zusammen. Tagsüber stand die Arbeit im Mittelpunkt – wir diskutierten unsere Ergebnisse für einen polnischen Hersteller von Betonfertigteilen – und abends genossen wir Tapas und die gemeinsame Zeit. Sogar Mitglieder, die in diesem Jahr nicht aktiv mitarbeiten konnten, waren dabei. Wir sind inzwischen so viele, dass es manchmal gar nicht leicht ist, alle unterzubringen!
„Gute Zusammenarbeit ist der Schlüssel zu großartigen Ergebnissen“
Frage: Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Antwort: Wir haben alle erlebt, dass großartige Arbeitsergebnisse entstehen, wenn man menschlich gut miteinander auskommt. Diese gute Zusammenarbeit pflegen wir jedes Jahr aufs Neue – mit Offenheit, gegenseitigem Respekt und echter Freundschaft. Wichtig hierbei: Wir nehmen uns auch Zeit für die menschlichen Begegnungen, so treffen wir uns immer einen Abend vorher um uns auszutauschen, auch privates zu besprechen. Und immer wieder besuchen sich die Mitglieder gegenseitig in ihrer jeweiligen Heimatregion.
Voneinander und miteinander lernen hilft in volatilen Zeiten
Frage: In den 10 Jahren seit der Gründung ist im Bereich Wirtschaft, Finanzen, Controlling, Geopolitik unglaublich viel passiert. Wie schafft man es angesichts dieser Volatilität, als externes, heterogenes und internationales Team mit den ständigen Neuerungen und Änderungen mitzuhalten?
Antwort: Wir lernen natürlich in unseren eigenen Unternehmen, aber auch in den „Zielunternehmen“ und voneinander. In der Corona-Zeit und auch im ersten Jahr des Angriffskrieges zwischen Russland und der Ukraine – da mussten wir pausieren – haben wir per digitaler Leitung miteinander Projekte durchgezogen und vor allen präsentiert – eine tolle Erfahrung.
Unternehmensführung aus dem Bauch heraus setzt Herausarbeiten erster Standards voraus
Frage: Haben sich die Aufgaben und Fragestellungen vonseiten Ihrer Zielunternehmen in den vergangenen Jahren verändert oder gibt es Standards, für die Ihre Unterstützung gefragt ist?
Antwort: Nein, die Veränderungen gehen schleichend. Aber in unseren Zielunternehmen geht es doch häufig erst einmal um das Herausarbeiten von Standards, die die Basis für komplexere Lösungen sind. Es ist manchmal unfassbar, wie Unternehmen quasi aus dem Bauch heraus geführt werden; Controlling zuweilen auf einem niedrigen Niveau.
Kostenlose Beratung sorgt bei potenziellen Unternehmen für Skepsis
Frage: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für ein Zielunternehmen?
Antwort: Erst einmal müssen wir Interessenten für eine Zusammenarbeit finden, das ist schon schwierig genug. Die wenigsten Unternehmer verstehen, dass 12 bis 20 Menschen, gestandene Controller oder Consultants mit meist mehr als zehn Jahren Berufserfahrung kostenlos für ihr Unternehmen arbeiten würden. Ihre Freizeit opfern… Und dann auch noch diverse Kosten selbst übernehmen. Das kann doch nicht wahr sein! Und dann gibt es noch ein Ausschlusskriterium: Die zu beteiligenden Mitarbeiter des Zielunternehmens (zwischen 8 und 16) sollten ganz gut englisch sprechen können…
Aber wenn wir dann einige Bewerber für das kommende Jahr haben, stimmen die Mitglieder des Arbeitskreises ab.
Wir haben dann im „Zielunternehmen“ üblicherweise vier Aufgabenbereiche, die wir – beginnend im April eines Jahres – zusammen mit den Mitarbeitern des Zielunternehmens bearbeiten. Ganz schön viel Arbeit – und Engagement aller Beteiligten! Ende Oktober, Anfang November stellen wir dann die Arbeitsergebnisse vor. Und erleben viel „Wow, das hätten wir nicht gedacht“.
Mehr als die Hälfte der Ideen wurden umgesetzt
Frage: Was war für Sie persönlich das schönste Erlebnis in diesen 10 Jahren?
Antwort: Da wir aus den verschiedensten Ländern Europas kommen (Polen, Russland, Deutschland, Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Rumänien, Niederlande, Spanien) vereinen wir auch sehr verschiedene Kulturen. Das heisst Lernen, Verstehen – aber auch ein Schatz an Erfahrungen für berufliche Projekte in Europa. Das Beste daran: wir verstehen uns unheimlich gut, Freundschaften sind gewachsen, man genießt, Mitglied in einem Kreis Gleichgesinnter Europäer zu sein.
Eine sehr schöne Erfahrung: Bei einem Unternehmen haben wir einen Vorschlag für ein neues Produkt gemacht; der CEO war sofort angetan davon und wenige Wochen danach war dies Produkt am Markt: Sehr sehr erfolgreich und mit einem grandiosen Deckungsbeitrag. Über alle Projekte hinweg wurden sicher 50% wenn nicht mehr der Ideen, der aufbereiteten Vorschläge in den Unternehmen umgesetzt.
„Unlust, sich zu engagieren, kennen wir nicht“
Frage: Sie waren bereits ein erfahrener Berater, Autor und Ehrenamtlicher im ICV, bevor Sie die International Work Group gegründet haben. Gab es trotzdem eine Erkenntnis bei der Arbeit mit der International Work Group, die Sie noch überrascht hat – konnten Sie noch etwas Neues lernen?
Antwort: Nicht neu, aber eine Bestätigung: Wenn es eine interessante Aufgabe gibt, machen alle engagiert mit. Die von vielen Arbeitskreisleitern beschriebene Unlust, sich im Arbeitskreis zu engagieren, kennen wir überhaupt nicht. Im Gegenteil: die Bewerberzahl für unseren Arbeitskreis ist groß, aber jedes Jahr können wir nur ein oder zwei neue Mitglieder aufnehmen.
Walter Schmidt fehlt dem Arbeitskreis auf vielen Ebenen
Frage: Walter Schmidt war nicht nur als Vorstandsmitglied ein enger Partner dieses Projekts, er war Ihr Freund und beruflicher Partner und hat sich auch in der International Work Group stark engagiert. 2023 ist er gestorben. Wie sehr fehlt er?
Antwort: Walter war nicht nur ein erfahrungsreicher Kollege, sondern auch jemand, der sich in die Problemstellungen der Zielkunden hervorragend einarbeiten und Lösungen zusammen mit den Kollegen seines jeweiligen Teams entwickeln konnte. Er fehlt uns allen – und mir als Freund und beruflicher Partner natürlich besonders.
KI kann die Zukunft mit und für Menschen und Unternehmen nicht gestalten
Frage: Was tut die International Work Group in 10 Jahren – braucht es sie überhaupt noch oder hat dann KI die Beratung übernommen?
Antwort: Mit KI lässt sich Neues nur unzureichend entwickeln, da KI auf bekanntem, im Netz stehenden Wissen aufbaut. Natürlich, auch unsere Arbeit in den Zielunternehmen basiert auf gemachten Erfahrungen – aber die wird kombiniert mit den verschiedenen kulturellen Erfahrungen, ist auf die Zukunft ausgerichtet mit Menschen, den Partner aus den Zielunternehmen. KI ist sehr hilfreich bei sich wiederholenden Tätigkeiten, aber bei uns geht es um mehr: Zukunft mit und für Menschen, für Unternehmen in Europa zu gestalten. Deshalb:
we come together, we work together, we learn together, we develop together!
Fazit: Zehn Jahre gelebtes Miteinander
Was 2015 als Idee begann, ist heute ein lebendiges Netzwerk aus erfahrenen Controllerinnen und Controllern aus ganz Europa.
Der internationale Arbeitskreis des ICV zeigt, wie erfolgreich Teamarbeit über Grenzen hinweg sein kann – fachlich, menschlich und mit einem klaren Ziel: Unternehmen in Europa ein Stück erfolgreicher zu machen.