Controlling neu gedacht: Ein Tier-1-Zulieferer im Wandel

Controlling neu gedacht: Ein Tier-1-Zulieferer im Wandel
Auf dem 49. Congress der Controller sprach Tim Harrenkamp, Vice President Corporate Controlling der BENTELER Group, über die aktuellen Herausforderungen der Automobilbranche – und darüber, wie sich das Controlling in einem global aufgestellten Tier-1-Zulieferer neu positioniert. BENTELER mit Hauptsitz in Salzburg ist weltweit aktiv, technologisch breit aufgestellt und seit Jahrzehnten tief in der automobilen Wertschöpfungskette verankert. Harrenkamp schilderte eindrücklich, wie sich die Rolle des Controllings verändert hat – weg vom reinen Zahlenlieferanten hin zum strategischen Partner, der Entscheidungen vorbereitet, Szenarien bewertet und auf unsichere Marktbedingungen flexibel reagiert. Angesichts weltweiter Disruptionen – von der Pandemie über geopolitische Krisen bis hin zu Lieferkettenproblemen und Inflation – sei es entscheidend, agiler und resilienter zu werden. Gerade der technologische Wandel, etwa durch den Übergang zur Elektromobilität, stelle Zulieferer vor neue Herausforderungen, auch wenn BENTELER aufgrund seiner antriebstechnisch weitgehend neutralen Produktpalette weniger direkt betroffen sei. Dennoch: Die Planungsunsicherheiten auf Kundenseite schlagen unmittelbar auf das eigene Geschäft durch.
Im Vortrag wurde deutlich, dass klassische Forecasts allein nicht mehr ausreichen. Vielmehr setzt BENTELER heute auf eine Kombination aus strategischem Weitblick und operativer Steuerung – mit szenariobasierter Fünfjahresplanung, kurzfristiger 13-Wochen-Liquiditätsvorschau und regelmäßigem Forecasting. Diese Instrumente hätten sich insbesondere in der Restrukturierungsphase als äußerst hilfreich erwiesen. Ebenso wichtig sei eine stringente Kapitalallokation: Jede Investition werde durch einen belastbaren Business Case begleitet, gleichzeitig entwickle man gemeinsam mit der Strategieabteilung ein Modell zur gezielten Verteilung knapper Mittel – immer entlang der Konzernstrategie und auf die Märkte und Divisionen heruntergebrochen.
International tätig zu sein bedeutet für das Controlling auch, flexibel auf regionale Unterschiede zu reagieren. Während Entscheidungsprozesse in Europa häufig hierarchischer und langsamer ablaufen, seien sie in Asien direkter und schneller. Deshalb setzt BENTELER auf eine Balance aus lokaler Verantwortung und zentraler Steuerung – unterstützt durch klare Governance-Strukturen. Besonders spannend war ein Beispiel, bei dem interne Entscheidungsprozesse grundlegend überarbeitet wurden. Statt individueller Annahmen setzt das Unternehmen heute auf standardisierte Basisszenarien und datenbasierte Variantenbewertung – was die Qualität und Geschwindigkeit der Entscheidungen deutlich verbessert habe.
Auch Digitalisierung und KI spielen eine zunehmende Rolle. Viele administrative Prozesse sind bereits automatisiert, etwa in der Buchhaltung oder in der Analysevorbereitung. Bei Künstlicher Intelligenz sieht Harrenkamp zwar Potenzial, spricht aber auch von einer aktuellen Experimentierphase. Wichtig sei, Technologie nicht isoliert zu betrachten, sondern gemeinsam mit Prozessen und Inhalten zu denken – ein Ansatz, den BENTELER aktuell in einem globalen Planungsprojekt weiterverfolgt.
Welche Kompetenzen braucht es also im Controlling der Zukunft? Harrenkamp bringt es auf den Punkt: Zahlenverständnis allein reicht nicht mehr. Gefragt sind Marktintelligenz, kritisches Denken, kommunikative Stärke und die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und in Lösungen zu übersetzen. Der Controller der Zukunft ist vernetzt, unternehmerisch denkend und agiert auf Augenhöhe – nicht als Zahlenknecht, sondern als echter Business Partner.
Der Vortrag auf dem Congress hat eindrucksvoll gezeigt: Exzellentes Controlling ist heute nicht mehr nur eine Frage von Fachwissen, sondern vor allem eine Frage der Haltung und der Fähigkeit, sich an eine dynamische Welt anzupassen. Der ICV begleitet diesen Wandel aktiv – mit einem starken Netzwerk, fachspezifischem Austausch und dem klaren Ziel, das Controlling in allen Branchen weiterzuentwickeln.