Globaler Wettbewerb

Weltwirschaft in Bewegung – was das Controlling leisten muss!
China ist heute die einzige verbliebene Weltmacht neben den USA, während Indien sich anschickt, zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufzusteigen. Beide Länder verfolgen langfristige wirtschafts- und geopolitische Strategien, die ihre Rolle im globalen Machtgefüge gezielt ausbauen. Während China seine wirtschaftlichen Interessen mit staatlicher Lenkung und massiver Innovationsförderung durchsetzt, positioniert sich Indien als demokratische Alternative mit wachsendem Selbstbewusstsein und wirtschaftlicher Dynamik. In Europa dagegen ist der Blick oft nach innen gerichtet. Diskussionen über nationale Politik, EU-Binnenfragen oder regulatorische Detaildebatten dominieren – während sich die globalen Kräfteverhältnisse fundamental verändern. Diese Diskrepanz zwischen globalem Wandel und regionaler Selbstbeschäftigung stellt europäische Unternehmen und ihre Steuerungssysteme vor enorme Herausforderungen.
Die geopolitische Großwetterlage verschärft sich: Handelskonflikte, eine zunehmende Rivalität zwischen den USA und China, Veränderungen in der US-Außen- und Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig ist auch die Beziehung zwischen China und Indien nicht eindeutig: Zwischen wirtschaftlicher Zusammenarbeit und politischer Konkurrenz schwankt das Verhältnis. Beide Länder pflegen jeweils differenzierte Beziehungen zu Russland, reagieren pragmatisch auf westliche Sanktionen und verfolgen vor allem ihre eigenen Interessen. Europa wird dabei oft als wirtschaftlich relevant, aber politisch schwach wahrgenommen – als Akteur ohne klare Linie und langfristige Strategie.
In dieser neuen Weltordnung sind Unternehmen mit einer Unsicherheit konfrontiert, die weit über konjunkturelle Schwankungen hinausgeht. Die Risiken, die sich aus geopolitischen Machtverschiebungen, fragmentierten Lieferketten, neuen Bündnissystemen und regulatorischer Komplexität ergeben, lassen sich nicht mehr mit klassischen Mitteln steuern. Genau hier kommt das Controlling ins Spiel – oder besser gesagt: Es muss sich neu positionieren. Denn das Controlling ist heute nicht mehr nur die Instanz für Planung, Budget und Abweichungsanalyse, sondern wird zur zentralen Schnittstelle zwischen Unternehmensstrategie, Risikoanalyse und Entscheidungsunterstützung.
Globale Entwicklungen lassen sich nicht mehr ausblenden. Sie müssen aktiv beobachtet, verstanden und in die unternehmerische Steuerung integriert werden. Das bedeutet, dass Controllerinnen und Controller lernen müssen, geopolitische Szenarien zu denken, wirtschaftspolitische Implikationen zu analysieren und daraus konkrete Handlungsoptionen abzuleiten. Lieferkettenplanung, Standortentscheidungen, Investitionsrechnungen oder auch die Bewertung von Geschäftschancen in Drittländern – all diese Themen hängen heute direkt mit geopolitischen Faktoren zusammen. Ein strategisch agierendes Controlling muss diese Zusammenhänge erkennen und erklären können.
Das Controlling muss sich vom reaktiven zum proaktiven Akteur entwickeln. Es reicht nicht mehr, auf Abweichungen zu reagieren oder historische Entwicklungen zu analysieren. Gefragt ist ein Controlling, das antizipiert, interpretiert und navigiert – ein intelligentes Steuerungszentrum in einem zunehmend unübersichtlichen Umfeld. Dafür braucht es nicht nur neue Tools, sondern vor allem ein neues Mindset: international, interdisziplinär und zukunftsgerichtet.
Europa steht an einem Scheideweg. Wenn es nicht gelingt, wirtschaftlich strategischer zu handeln und geopolitisch geschlossener aufzutreten, wird es im globalen Wettbewerb an Einfluss verlieren. Unternehmen können und müssen hier vorangehen – und das Controlling spielt dabei eine Schlüsselrolle. Es hat das Potenzial, die ökonomische Brücke zwischen operativem Geschäft und strategischer Zukunftsgestaltung zu schlagen. Wer das versteht, macht das Controlling zum Rückgrat einer zukunftsfähigen Unternehmensführung.
Denn globaler Wettbewerb ist kein abstraktes Thema für Außenpolitiker – er ist längst Realität in den Büros von Planern, Finanzern und Entscheidern. Controlling, das diesen Wandel annimmt und aktiv gestaltet, wird zum strategischen Navigationssystem in einer Welt im Wandel.
Wie aber kann das gelingen? Erste Lösungsansätze liegen in der konsequenten Integration von Risikomanagement in die strategische Planung. Szenarioanalysen helfen dabei, mögliche geopolitische Entwicklungen systematisch zu durchdenken und robuste Handlungsoptionen zu entwickeln. Auch der Einsatz von Predictive Analytics und Künstlicher Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten, um Unsicherheiten besser zu antizipieren – etwa durch die Simulation von Lieferkettenrisiken oder die Analyse internationaler Einflussfaktoren auf Geschäftsmodelle. Der ICV greift diese Themen aktiv auf und bietet mit Fachkreisen, Impulsen aus der Ideenwerkstatt und Veranstaltungen wie dem Congress der Controller wertvolle Impulse. Unternehmen, die diese Instrumente nutzen und sich im Netzwerk weiterentwickeln, können das Controlling zu einem zukunftsweisenden Steuerungszentrum machen – analytisch stark, strategisch denkend und handlungsfähig im globalen Kontext.