Häufig gestellte Fragen von Controllerinnen und Controllern zur Nachhaltigkeit

Was ist eigentlich die EU-Taxonomie und was bedeutet sie für das Controlling?

Dr. Marco Möhrer und Martin Momberg antworten auf die wichtigsten Fragen dazu

Was ist unter der EU-Taxonomie genau zu verstehen? 
Martin Momberg: 
Die Taxonomie ist ein EU- weites Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Sie soll eine einheitliche Bewertung der Unterneh- menstätigkeit im Hinblick auf ihre Nachhal- tigkeitsleistung ermöglichen und damit die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft in Europa unterstützen. Darüber hinaus wird sie eine bedeutende Rolle bei der Verteilung von europäischen Fördermit- teln im Rahmen des Green Deals spielen. Nur wenn die strengen Prüfkriterien der Taxonomie eingehalten werden, können Unternehmen ihre Aktivitäten als ökologisch nachhaltig deklarieren und damit als „grün“ im Sinne der Taxonomie berichten. Die Taxonomie hat demnach nichts mit „Taxation“ – also Steuern – zu tun, sondern bildet ein verbindliches Standardrahmenwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen.

Warum ist die EU-Taxonomie für Controller so wichtig?
Marco Möhrer:
Einen wesentlichen Punkt hat Martin bereits genannt. Die Taxonomie ist eine regulatorische Vorgabe der Europäischen Union. Sie soll Unternehmen zukünftig als Grundlage ihrer Berichterstattung zu ökologischen Nachhaltigkeitsaspekten dienen. Kapitalmarktorientierte Unternehmen, die aktuell unter die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) fallen, sind bereits seit diesem Jahr verpflichtet, über ihre taxonomierelevanten Wirtschaftsaktivitäten zu berichten. Ab 2024 soll diese Berichtspflicht im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auf alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden ausgeweitet werden. Controller wird die Taxonomie deshalb in den nächsten Jahren vermehrt beschäftigen.

Wie kann man sich das Taxonomie-Reporting zukünftig vorstellen?
Martin Momberg:
Die Berichterstattung zur Taxonomie soll gemäß der gesetzlichen Anforderungen in den Lagebericht von Unternehmen integriert werden. Dazu sieht das Rahmenwerk drei zentrale Kennzahlen vor, nämlich den Umsatz, die Gesamtinvestitionen und die Betriebskosten. Betroffene Unternehmen müssen deshalb ihr Produktportfolio sowie ihre Vermögenswerte daraufhin untersuchen, wie groß der darin enthaltene Nachhaltigkeits-Anteil tatsächlich ist. Diesen gilt es dann anhand der drei KPIs zu berichten. In diesem Prozess spielen die Controller mit ihrem Methoden- und Kostenverständnis eine zentrale Rolle.

Was sind die wesentlichen Herausforderungen im Umgang mit der EU-Taxonomie?
Marco Möhrer:
Zum einen führt der Standard zahlreiche neue Begriffe ein, die im Controlling-Umfeld noch weitgehend unbekannt sind. Zum anderen besteht aktuell ein hoher Zeitdruck, die Taxonomie in Unternehmen umzusetzen, um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Ein dritter Punkt hat mit der Frage zu tun, wie kleinere und mittel- ständische Unternehmen die Umsetzung erfolgreich gestalten können. Denn auch im Mittelstand hat die Taxonomie eine besondere Relevanz, weil sie beispielsweise Aus-wirkungen auf die Unternehmensfinanzierung haben kann.


Dr. Marco Möhrer ist Controller bei der Robert Bosch GmbH und hat zur Messung von Nachhaltigkeit in Unternehmen promoviert. Er ist Leiter des Fachkreises „Green Controlling for Responsible Business“ im ICV und publiziert regelmäßig Fachbeiträge zur nachhaltigen Unternehmenssteuerung.

Martin Momberg ist als Leiter des Teams ESG Accounting und EU-Taxonomie bei der Deutschen Post DHL Group verantwortlich für die zentrale Erfassung der Nachhaltig- keitskennzahlen und den Aufbau des taxono- miekonformen Berichtswesens. Von 2015 bis 2021 war er für die konzernweite Emissions- berichterstattung sowie die emissionsbezo- genen Planungs- und Controlling-Aktivitäten verantwortlich.

Die Fragen/Antworten sind ein Auszug aus dem Interview im Controller Magazin März/April 2022 im Rahmen der Seiten ICV im CM. Hier können Sie das komplette Interview downloaden.