ControllerInnen als Change Agents gefragter denn je
Herausfordernde Zeiten im Spannungsfeld voller Auftragsbücher, leerer Lieferketten, geopolitischer und pandemiebedingter Unsicherheiten, so fasst ICV Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Heimo Losbichler die aktuelle Wirtschaftslage zusammen. Der ICV als Controlling-Kompetenz-Adresse in Europa bietet Unterstützung: Mit seinen Jahresthemen gibt er ControllerInnen Sicherheit in unsicheren Zeiten und Antworten auf brennende Fragen in der Unternehmenssteuerung.
Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt sich der ICV intensiv mit einem Thema, dem inzwischen auch auf wirtschaftspolitischer Ebene höchste Priorität eingeräumt wird: Sustainability. Gemeinsam mit den ebenfalls seit vielen Jahren im Blickpunkt stehenden Themen Digitalisierung und Agilität macht der ICV die Nachhaltigkeit deshalb zum Jahresthema 2022, erweitert um einen weiteren Megatrend, für den die ICV Ideenwerkstatt Controllerinnen und Controller sensibilisieren möchte: Servitization.
Regelmäßig über neue Trends und Entwicklungen zu informieren und damit Impulse für die Weiterentwicklung des Controllings zu setzen – das hat sich die Ideenwerkstatt als Think Tank im ICV zur Aufgabe gemacht. Das hochkarätig besetzte Team aus Wissenschaftlern und Vertretern der Controllingpraxis ist in der Wahl seiner Schwerpunkte stets seiner Zeit voraus. „Notwendigkeit und Relevanz eines grünen Controllings“ wurde bereits 2010/2011 zum Themenschwerpunkt mit nachfolgenden Publikationen wie dem Dream Car-Bericht „Green Controlling“ und der ICV Green Controlling Studie.
Rolle des Controllings bei der Umsetzung des European Green Deals als White Paper
Daran anknüpfend hat der ICV Fachkreis „Green Controlling for Responsible Business“ mit dem „Leitfaden Green Controlling“ im Jahr 2014 anwendungsorientierte Lösungsansätze herausgegeben - eine bis heute gefragte Publikation der ICV Schriftenreihe. Die jüngste Veröffentlichung aus dem Fachkreis heißt „EU-Taxonomie für Sustainable Finance – Die Rolle des Green Controllings bei der Umsetzung des European Green Deals“. Der Controller als Unterstützer der Transformation hat demnach die Aufgabe, eine integrierte Unternehmenssteuerung zu gestalten, die neben den traditionellen ökonomischen auch soziale und ökologische Unternehmensziele umfasst und damit klar belegbar ESG-konforme Strategien verfolgt. Schließlich gelten perspektivisch unternehmerische Aktivitäten nur dann als ökologisch nachhaltig, wenn sie die Standards der Taxonomie als Klassifizierungssystems erfüllen und darauf basierend Unternehmen ihr Handeln und seine Auswirkungen klar bewerten und transparent berichten können.
Auf Freiwilligkeit folgen zunehmend regulatorische Vorgaben
Forciert wird der Fokus auf Nachhaltigkeit durch die gesellschaftliche, unternehmerische und politische Entwicklung. Damit einher gehen mehr oder weniger verpflichtende Regelwerke. In der Value Balancing Alliance etwa haben sich 2019 Unternehmen wie BASF, Bosch und die Deutsche Bank freiwillig zusammengeschlossen mit dem Ziel, im Rahmen des betrieblichen Rechnungswesens eine standardisierte Methodik festzulegen, um gesellschaftliche und ökologische Wertbeiträge zu bewerten. Zeitgleich sind die regulatorischen Vorgaben auch vonseiten der Politik und des Gesetzgebers gestiegen. Während die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, formuliert 2020 als Sustainable Development Goals (SDGs), und der European Green Deal der Europäischen Kommission, vorgestellt 2019, eher allgemein Ziele und Handlungsfelder formulierten, ist die EU-Taxonomie für Sustainable Finance von 2021 ein Ansatz für die operative Umsetzung. Auch im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Taxonomie als verpflichtende Grundlage für die Berichterstattung in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden genannt.
„Controller wird die Taxonomie vermehrt beschäftigten“
„Controller wird die Taxonomie vermehrt beschäftigen“, so das Fazit von Dr. Marco Möhrer, Controller bei der Robert Bosch GmbH und Leiter des ICV Fachkreises Green Controlling. In dessen White Paper zur Taxonomie klärt er gemeinsam mit weiteren AutorInnen zentrale Fragen, um Controllerinnen und Controllern eine Handreichung für das Verständnis, die praktische Anwendung und den Mehrwert dieser Vorgaben zu geben. Die Definition relevanter Begriffe und die Darstellung spezifischer KPIs gehören genauso dazu wie die Antwort auf die Frage, welchen Beitrag das Controlling bei der Integration der Taxonomie in eine ganzheitliche Unternehmenssteuerung leisten kann. Am Beispiel der Deutschen Post DHL (DPDHL) erfährt der Lesende mehr über Chancen, Herausforderungen und Stolpersteine, aber auch über Aufgabenpakete und Prozessphasen der Implementierung der Taxonomie in die Praxis.
Nutzen in der Wertschöpfungskette generieren
Da Controllerinnen und Controller nah an Unternehmenssteuerung und Management stehen, sind sie gut auf die Integration der Nachhaltigkeit in ihr Aufgabengebiet vorbereitet, glaubt Claudia Maron, ICV Vorstandsmitglied und bei der DATEV eG Head of Digital and Sustainable Economy: „Ein Planungs- oder Reporting-Prozess unterscheidet sich nicht dadurch, dass zusätzlich zu den financials auch non-financials einbezogen werden“. Vielmehr könne das Controlling Nutzen in der Wertschöpfungskette generieren, indem die nicht- finanziellen Informationen mit der Finanzwelt verknüpft, in Datenmodelle gegossen und mit KI oder Business Analytics ausgewertet werden. „Dazu sind Controller als Change Agents und Partner des Managements gefordert“, fasst Maron das erweiterte, aufgewertete Aufgabengebiet der ControllerInnen zusammen.
Herausforderung: Verschiedene Systeme zusammenführen und Planung integrieren
Gleichwohl räumt sie ein, dass die große Herausforderung darin bestehe, die unterschiedlichen ökologischen und sozialen Informationssysteme mit den etablierten Finanzinformationen zusammenzuführen und dabei Kurz-, Mittel- und Langfristplanung abzudecken. Auch gelte es, die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens etwa für die CO2-Emissionen langfristig im Kontext zu prüfen. Mittelfristig bedeutet für Maron nachhaltiges Wirtschaften, sich von der alleinigen Ausrichtung auf den Shareholder Value zugunsten der Stärkung des Stakeholder Values zu verabschieden: Investoren, Finanzgeber und Ratingagenturen orientieren sich zunehmend am ökologischen und sozialen Fußabdruck einer Marke oder eines Unternehmens. Auch der Druck auf den Kapitalmarkt wächst. Finanzprodukte mit Fokus auf Environmental, Social und Governance erfreuen sich steigender Nachfrage bei Unternehmen, die ihre Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit mit ESG-Finanzierungen auf- und ausbauen können. Finanzberater sind EU-weit verpflichtet, Kunden auf Nachhaltigkeitskriterien bei den Geldanlagen hinzuweisen und ab August auch zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen: Das Bewusstsein für die „nachhaltige“ Finanzierung steigt, genauso wie die Nachfrage nach Green Bonds, Social Bonds und Sustainability Bonds. Allein die KfW hat im vergangenen Jahr laut eigenen Angaben 37 Green Bond Emissionen auf den Markt gebracht.
Zukunftsweisend für das Controlling: die nachhaltige und digitale CFO-Agenda
Für Claudia Maron ist klar: Nachhaltige Werte müssen Teil der Unternehmenskultur werden. Das kann nur gelingen mit einem Commitment des Managements und der Verankerung in der Unternehmensstrategie. Mittelständischen Unternehmen empfiehlt der ICV, die ökonomische Säule der Triple Bottom Line im Controlling zu verankern. Zudem sollten die Abteilungen, die Soziales und Ökologie im Unternehmen verantworten, in die Unternehmenssteuerung integriert werden. „Die nachhaltige und digitale CFO- und Controlling-Agenda – beide Themen sind zukunftweisend. Controllerinnen und Controller sind als Change Agents gefordert, Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten“, betont ICV Vorstandsmitglied Maron.
Megatrend Servitization: nach der Krise Geschäftsmodell neu ausrichten
Während die Digitalisierung die Unternehmen schon seit vielen Jahren beschäftigt und nun auch die Nachhaltigkeit in der Praxis angekommen ist, bleibt die Neuausrichtung des Geschäftsmodells ein weniger transparentes Aufgabenfeld für die Verantwortlichen. Vor allem aus Sicht des Controllings sind service-basierte Geschäftsmodelle noch zu wenig greifbar, obwohl sie mit zunehmender Digitalisierung an Bedeutung gewinnen, so die Einschätzung der Mitglieder der ICV Ideenwerkstatt. Bereits 2020 hat sich der Think Tank im Controlling des ausgemachten Megatrends Servitization deshalb gezielt angenommen. In zahlreichen Beiträgen widmet sich das Ideenwerkstatt Quarterly seither allen Aspekten inklusive detaillierter Success Stories erfolgreicher Transformationen. So hat die Haufe Group den Wandel vom Verlag zum digitalen Unternehmen gemeistert, die SARTORIUS AG hat sich vom Anbieter für Produkte und Dienstleistungen zum Lösungsanbieter entwickelt.
Auch ICV Firmenmitglied Kärcher hat das Controlling mit einem flexiblen Steuerungsmodell auf neue Geschäftsmodelle in den Bereichen Produkte und Dienstleistungen eingestellt – und ganz nebenbei für vorbildliche Ressourcenschonung auch den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021, Europas größte Auszeichnung für ökologisches und soziales Engagement, gewonnen.
Publikation „Servitization“ erscheint im Mai zum 46. Congress der Controller
Ihr umfangreiche Fachwissen fasst die ICV Ideenwerkstatt in einer Publikation „Servitization“ im Rahmen der ICV Schriftenreihe zusammen. Sie erscheint im Mai 2022, rechtzeitig zum größten Fachtreffen der europäischen Controlling-Community, dem ICV Congress der Controller am 9./10. Mai 2022 in München, und ist anschließend u.a. direkt im ICV Online-Shop erhältlich.